Ein Ballonfragment und eine Wachstafel-Sammlung – zwei Objekte aus 120 Jahren Museumsgeschichte und der Delitzscher Stadtgeschichte.
Zum Ballonfragment. 1909 hatte sich im Städtchen Bitterfeld ein Luftschifferverein gegründet, dessen Mitglieder schon im Gründungsjahr den Ballon „Bitterfeld“ mit 840 m³ Gasinhalt aus der Taufe hoben. Die Begeisterung für diese Fortbewegungsart zeigt sich im rasanten Anstieg der Mitgliederzahl – 1910 waren schon 250 Männer und Frauen als Vereinsmitglieder aufgeführt, im Folgejahr 355.
Am Samstag, dem 16. April 1910, starteten vier Männer – der Kaufmann Karl Graupner, der Tierarzt Karl Hecker (beide aus Leipzig und Luftfahrt-Neulinge), der Ingenieur Albert Leuchsenring aus Bayern und der erfahrene Aeronaut Carl Luft aus Bitterfeld mit einem 1.200 m³ fassenden Freiballon unter dem begeisterten Jubel der anwesenden Bürgerinnen und Bürger in Bitterfeld zu einer längeren Fahrt.
In der Nacht zum Sonntag geriet der Ballon in der Nähe des rund 170 Kilometer entfernten Reichensachsen bei Eschwege plötzlich in einen Gewittersturm. Ein Blitz entzündete das Gas im Ballon, woraufhin die Hülle aus Goldschlägerhaut, einer äußerst dünnen und trotzdem elastischen Haut aus Rinder-Blinddärmen, zerriss.

Die vier Aeronauten fanden bei diesem schrecklichen Unfall den Tod, wobei sie – so berichtete damals eine Zeitung – keinen luftfahrerischen Fehler begangen haben. Der Ballon selbst stürzte in den Vorgarten einer Wohnsiedlung, die aus großer Höhe abgestürzten Körper waren furchtbar zerschmettert.D a man den die Reste des ramponierten, aber nicht komplett zerstörten Ballons vom Absturzort zurück nach Bitterfeld schickte, konnten diese für einen neuen Ballon genutzt werden. Er wurde am 12. Juni 1910 feierlich auf dem Gelände der Gasfabrik Delitzsch, Beerendorfer Straße 1, auf den Namen „Delitzsch“ getauft und ist teilweise auf dem hier gezeigten Foto zu sehen.
Die Wachstafel-Sammlung. 600 Jahre alte Schreibtafeln – die sogenannten „Westphal’schen Wachstafeln“ (1403 bis 1435): Diese einzigartigen Brettchen bestehen aus Ahornholz und einer Schreibfläche aus Bienenwachs, dem Kiefernharz und Rußfarbe beigemischt wurden.
Ursprünglich stammt die Tafelsammlung aus dem Ratsarchiv der Stadt Delitzsch. Zwischen 1403 und 1435 hatte der Pfarrer Hermann Westphal hierin seine privaten und Pfarrangelegenheiten eingetragen, ganz wie einem mittelalterlichen Notizbuch. Es finden sich Aufzeichnungen über Geld- und Getreidezinsen, Bau- und Rechtsgeschäfte sowie Anmerkungen zu besonderen Ereignissen, wie schwere Regengüsse und Überschwemmungen in der Region.
Der deutsche Archivar und Historiker Hubert Ermisch hat die Tafeln mühevoll für die Nachwelt entziffert. Er schrieb „Westphal war ein vorsichtiger und gewissenhafter Geschäftsmann. Nicht selten vertraute man ihm, wie es scheint, Gelder zur Aufbewahrung an, die in der Kirche sicherer lagen als im Privathause.“

Die Federzeichnung links im Bild zeigt die nicht mehr vorhandene Grabplatte Hermann Westphals in der Delitzscher Stadtkirche.
Alle hier beschriebenen Exponate waren Teil der Ausstellung „120 – historische Objekte erzählen Museumsgeschichte“ im Museum Barockschloss Delitzsch, die coronabedingt leider nur kurz geöffnet war.