Rätsel um Rokoko-Gemälde gelüftet

Mutter und Bruder der späteren Zarin Katharina der Großen, abgebildet beim Kartenspiel – ein großformatiges Ölgemälde im Esszimmer der Beletage des Delitzscher Barockschlosses schmückt den Raum und gibt jedoch über diesen Schmuckwert hinaus noch über viel mehr Auskunft.

Abgebildet ist eine Gesellschaft hochrangiger adliger Damen und Herren, von denen drei am eleganten Rokokotisch zum Kartenspiel Platz nehmen durften.
Dirk Herrmann, Vorsitzender vom Förderverein Schloss Zerbst e. V., konnte nun die Personalien dieser drei Hauptpersonen entschlüsseln und dem Museum Barockschloss Delitzsch mitteilen.

Foto: Christian Maurer, Bearbeitung: Nadine Fuchs

Mit Johanna Elisabeth von Anhalt-Zerbst ist die Mutter der Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst (ab 1762 Zarin Katharina II. von Russland) und die Schwester des schwedischen Königs Adolf Friedrich dargestellt. Sie trägt den Katharinenorden.
Ihr Sohn und Bruder Katharinas II. ist – gleichwohl zur Entstehungszeit des Bildes vermutlich erst 19 Jahre alt – der Hauptdarsteller am Tisch. Der junge Friedrich August von Anhalt-Zerbst ist damals erst seit kurzer Zeit Landesherr von Anhalt-Zerbst. Er trägt den russischen Andreasorden, verliehen von der russischen Kaiserin Elisabeth Petrowna.
Friedrich Augusts junge Gemahlin steht (von den Betrachtenden aus) rechts hinter ihm – Caroline Wilhelmine Sophie, geborene von Hessen-Kassel, ist gut an ihrem schiefen Hals und an dem mit unzähligen Stoffblüten bestickten Kleid zu erkennen.

Am Spieltisch ist der Platz gegenüber der den schwarzen Witwenschleier tragenden Johanna Elisabeth leer geblieben – am linken Bildrand und damit für die Betrachtenden als erstes ins Auge fallend steht ein leerer Stuhl. Auf ihm hätte der schmerzlich vermisste frühere Landesvater Platz nehmen sollen. Christian August von Anhalt-Zerbst, ein mehrfach mit militärischen Orden dotierter Generalfeldmarschall, war schon 1747 im Alter von 56 Jahren gestorben und konnte der Eheschließung seines Sohnes nicht beiwohnen.
Bisher noch nicht gedeutet sind die anderen dargestellten Personen sowie die Symbolik des französischen Kartenblatts und der Münzen.

Das Bild eines unbekannten Künstlers muss zwischen 1753 und 1758 gemalt worden sein, also zwischen der Heirat des jungen Herrscherpaares und der Flucht des Landesherrn aus Zerbst. Nach der Identifizierung der Personen heißt es nun „Adelsgesellschaft auf Schloss Zerbst“.

Aufgrund der prachtvollen Garderobe aus wertvollen Stoffen, Spitzen und Stoffblüten nimmt Dirk Herrmann an, das Gemälde könne sogar anlässlich der Hochzeit von Friedrich August von Anhalt-Zerbst und Caroline Wilhelmine Sophie entstanden sein. Die Ehe der beiden war am 17. November 1753 auf Schloss Zerbst geschlossen worden.

Foto: Christian Maurer

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